Neue Station, Vorstadtweib

on 2. Januar 2019
  • Im Sommer 2018 bin ich 40 geworden. Hinter mir liegen vier Jahre von Veränderung, was das mit mir, Makeup und Vorstadtweib zu tun hat? 

Als ich 36 war, hatte ich genauso lange in Wien gelebt, wie ich alt war, als ich dorthin gezogen bin. Mein Leben hatte sich in zwei Bundesländer geteilt. Mit 18 ging ich weg, raus aus dem Dorf, rein in die Stadt. 18 Jahre lang holte Wien mich immer wieder zurück. Sei es aus privaten, beruflichen, oder Gründen der Ambition. Das Dorf konnte mich nie ganz halten. Ich hatte immer das Gefühl ein weltoffener Mensch in einer Stadt voller Kunst, Kultur und Möglichkeiten zu sein, und diese Chancen wollte ich mir nicht nehmen. Als Mutter änderte sich vieles für mich. Das Wohl meines Kindes stand an erster Stelle, und da es damals die beste Möglichkeit für uns schien, zog ich mit meinem Sohn zurück in den Schoß der Familie.

Ich habe es nicht bereut, aber viel gelernt. Über mich, über das längst vergessene Leben am Land, dass nicht nur aus Oktoberfesten, Faschingsgnas und Mitternachtsmetten besteht. Habe vieles über Erwartungen gelernt, und über das was Menschen wirklich leisten können. Und wo wir uns mehr wünschen als möglich ist.

Im letzten Jahr bin ich 40 geworden. Liebe Freundinnen aus Wien waren da. Teile meiner Famlie nicht, später schon, aber nicht als es mir wichtig war. Eigenartig wie man erst viel später registriert, dass man viele Dinge nicht selbstverständlich hat. Dieser Monat hat viel in mir verändert. Und ich merke erst jetzt, dass ich seit über einem halben Jahr mit diesen und ähnlichen Situationen hadere.

Mein Leben ist keine Hauptabendserie des ORF, obgleich man sich das bei äußerer Betrachtung so denken könnte. Hey, denkt man da, die ist doch ein totales Vorstadtweib. Hat eh alles, sudert auf hohem Niveau, während sie ihre FÄSCHNfotos macht, und einen auf erfolgreiche Bloggerin. Die ist doch sicher total beliebt, und hat voll viele Freunde, und während die Blubberbläschen aus ihrem Prosecco auftauchen, macht sie sich noch Sorgen ob ihre Haare glatt oder lockig sind. Und ist sie nun alleine oder nicht? Und überhaupt, was für eine Rolle spielt denn nun der Papa vom Kleinen. Was muss da passiert sein damit sie weg ist? Und was für eine Frau lässt denn ihren Partner im Stich, oder umgekehrt.

Ich habe die Dynamik im Dorf so unterschätzt. Seit bald vier Jahren bin ich nun da, und immer wieder überrascht, auch von dem was sich andere Leute Gedanken über mich machen (siehe auch mein alter Beitrag übers Bloggen)

Am Blog habe ich viel erzählt, doch selten Details über mich. Warum? Weil es von einigen Seiten auch immer wieder kritisiert wurde, wie transparent ich doch durchs bloggen sei. Jetzt wüsste ja jeder wie es mir geht. Hm, stimmt teilweise, die Leute hatten Spielraum, konnten sich ein Bild machen, dass aber niemals wirklich ich war. Und so entstehen vielleicht auch Annahmen über mein Leben die nicht stimmen.

Aber es ist doch so. Was im Fernsehen unterhaltsam ist, wo wir lachen, obwohl es todtraurig ist, ist im echten Leben wirklich  nicht lustig. Es mag von außen erscheinen, als ob ich ein verwöhntes Leben führe, bei dem ich mir den Luxus erlauben kann, zu bloggen und mich um meinen Style zu kümmern. Aber in der Realität? Dieses Schreiben hat mich über die Traurigkeit und Sinnlosigkeit gerettet, das Modeln hat das bisschen Selbstwert erhalten das noch da war. Eine moralische Rettung.

Denn als Zugezogene von der Stadt ins Dorf zu ziehen ist beinhart. So sehr man sich bemüht, man versteht nicht wie dieser verdammte Mikrokosmos funktioniert. Das Anpassen, das Netzwerken, das Kochrezepte austauschen. Ich habe es wirklich (und ich meine WIRKLICH) probiert. War in Eltern Kind Zentren, in Mamakursen, habe mit den anderen Mamas gesprochen, habe Telefonnummern ausgegeben, habe versucht Playdates einzuhalten. Aber die beinharte Wahrheit? Zugezogene alleinerziehende Frauen sind am Land Exoten. Sie sind wie die feindliche Bedrohung für das Familienidyll, die Erinnerung an die Endlichkeit an einer Paarbeziehung, die Wahlmöglichkeit des “Schnauzevoll” Streits. Sie erinnern, sogar in den eigenen Familien, an die Möglichkeit aus einem Leidenskreislauf auszusteigen.

Und was ist nun meine Tatsache? Ich glaube für unser Kind, für mich, und für den Vater meines Kindes (der für sich selber sprechen müsste) habe ich eine gute Entscheidung getroffen. Denn mein Kind liebt seinen Vater, er ist sein absoluter Hero, und das obwohl er nicht hier lebt. Wir haben es geschafft in einer Gesellschaft die nur in Schwarz und Weiß unterteilt, ein ganz besonderes Grau zu kreieren dass an manchen Tagen strahlt und an anderen eben nicht. Und dann noch ich, ich bin mehr als eine Beziehung, eine Eltenrolle, als ein Job. Ich habe in den letzten Jahren viel aufgebaut von dem ich noch nicht leben kann, aber ich werde es eines Tages. Und dann ist sie okay.

Die Traurigkeit, die da war. Die Einsamkeit, der Verzicht auf wirkliche Freunde. Ich sag es euch ganz ehrlich, ob ich hier wirklich jemals nachhaltige Freundschaften aufbaue, ich weiß es nicht.  Ich bin zu unbequem, zu laut, vielleicht zu schrill für viele hier. Oder vielleicht sind einfach alle wirklich so beschäftigt mit ihren wundervollen Leben dass ich einfach nur eine Randfigur bin. Unwesentlich, lästig, manchmal einfach nur da? Was ich jedoch bestimmt nie sein will, ist ein Püppchen, dass mit Mann und Teenagerkind im Restaurant sitzt und ihr grelles Schweigen beleuchtet sie wie ein Scheinwerfer, strahlt nur auf sie. Jahre voller Traurigkeit liegen hinter ihr, und jetzt nichts zu sagen, außer “es ist okay”. Ich habe auch nicht vor, in ein Geschäft zu gehen und mir Lackleggins kaufen, nur um seine Aufmerksamkeit zurück zu bekommen. Ich werde auch keine hohen Schuhe anziehen, damit er mit meinem geilen Arsch angeben kann.

Wenn ich hohe Schuhe anziehe, dann weil ich sie in dem Moment schön finde. Wenn ich Make up tragen werde, dann weil es der Vorteil des Alterns ist, zu schummeln, wenn man will. Wenn ich schweigen werde, dann weil ich es will, und nicht weil mich ein Gelöbnis zu gemeinsamen Schweigen verdonnert hat.

Ja – ich bin ein Vorstadtweib – aber eines mit einem neuen Drehbuch. Das kann mal jemand an den ORF weitergeben, wenn sie wissen wollen, wie es geht, dann kriegen sie ihre Story exklusiv, und zwar ganz banal, wo niemand betrügen und lügen muss, um zu überleben. Eine Geschichte wo man hinfällt und aufsteht, wo man weint, alleine, und lacht, alleine. Eine One Woman Show, weils am Land so ist. Das alleinerziehende Weib in der freien Wildbahn oder so. Das Leben ist kein Ponyhof, eher eine Ranch voller Wildpferde, und wenn du deine Herde noch nicht gefunden hast, steh auf und geh weiter, denn sie sind da draußen, ganz bestimmt, und warten auf dich.

 

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